Vor 800 Jahren hat Franz von Assisi den Sonnengesang verfasst. Mehr als ein romantisches Lied auf die Natur! Für den heiligen Franziskus waren alle Geschöpfe, alle Elemente und Dinge „Schwestern“ und „Brüder“. Seine Haltung gegenüber der Schöpfung war geprägt von Demut, Ehrfurcht und Achtsamkeit. Diese geschwisterliche Haltung, aus der auch Papst Franziskus in seinen Enzykliken „Laudato si‘“ und „Fratelli tutti“ spricht, prägt bis heute die franziskanische Schöpfungsspiritualität. Sie gründet auf einem tiefergehenden Verhältnis zur Schöpfung: In einer kosmischen Verbundenheit und universalen Geschwisterlichkeit können wir unserer Verantwortung für unsere Mitwelt und das „gemeinsame Haus“ Erde durch konsequent nachhaltiges Handeln gerecht werden.
Höchster Herr, du bist allmächtig und gut,
dir allein gebührt Lob und Ruhm,
Dank und Ehre; kein Mensch ist würdig,
deinen Namen auch nur zu nennen.
Alle deine Geschöpfe sollen dich preisen, Herr!
Vor allem unsere Sonne, die edle Schwester,
sie bringt uns den Tag und das Licht;
schön und strahlend in mächtigem Glanz
ist sie ein Gleichnis deiner Herrlichkeit.
Es preise dich, Herr,
der Bruder Mond und die Sterne!
Du hast sie am Himmel gebildet,
sie leuchten kostbar und schön.
Es preise dich, Herr,
der Bruder Wind und die Luft!
Durch bewölkten und heiteren Himmel,
durch jegliches Wetter
erhältst du deine Geschöpfe am Leben.
Es preise dich, Herr,
unsere Schwester, das Wasser!
Es ist so nützlich und demütig,
so köstlich und rein.
Es preise dich, Herr,
unser Bruder, das Feuer!
Damit erleuchtest du uns die Nacht,
schön ist es und lebendig,
gewaltig und stark.
Es preise dich, Herr,
unsere Schwester, die Mutter Erde!
Sie trägt und erhält uns,
sie bringt vielerlei Früchte hervor,
Kräuter und bunte Blumen.
Es preisen dich, Herr,
alle, die einander vergeben,
weil sie dich lieben;
alle, die Krankheit ertragen und Elend.
Selig, die leiden in Frieden,
sie werden von dir, dem Höchsten, geehrt.
Es preise dich, Herr,
unser Bruder, der leibliche Tod!
Ihm kann niemand entrinnen.
Wehe denen, die sterben in schweren Sünden.
Selig, wer heimgeht in deinem heiligen Willen,
die Mächte des ewigen Todes haben keine
Gewalt über ihn.
Lobet und preiset meinen Herrn, danket ihm
und dienet ihm in großer Demut.
Die Bildgestaltung von Frau Luise Theill
Im Sonnengesang preist der Hl. Franziskus in zehn Strophen die gesamte Schöpfung, die bildlich auf der Stoffcollage dargestellt ist: „Schwester Sonne, Bruder Mond und die Sterne“, leuchtend sind sie auf der Collage zu sehen. Auch „Schwester Wasser und Bruder Feuer“ besingt Franziskus – hier in warmen Rottönen züngeln die Flammen am unteren Bildrand hoch. Wasser ist als breiter Strom und als Tropfen dargestellt. Die Menschen fehlen nicht im Sonnengesang von Frau Luise Theill. Siebenfach sind sie mit offenem Mund, das Lob Gottes singend, dargestellt. Wie von ihrem Lobgesang begeistert fliegen Schmetterlinge als uralte Symbole für die Seele, in die offenen Hände Gottes …
„Der Sonnengesang des Hl. Franziskus in der Franziskuskirche in Gummersbach ist eine Stoffcollage,“ erzählt Frau Luise Theill, „denn ich habe die Farben der Stoffe nicht gemischt, sondern die Stoffe in ihren unterschiedlichen Original-Farben benutzt. Es war eine Auftragsarbeit kurz vor der Jahrtausendwende, die sich bei einem Gespräch in meinem Atelier mit dem damaligen Kreisdechanten Joseph Herweg und durch weitere Gespräche mit dem Kirchenvorstand und dem Erzbistum entwickelte. 14 Monate habe ich an dem Wandbehang gearbeitet, alles auf der Hand genäht bei einer Größe von vier mal vier Meter.“
Eine Schock war für Luise Theill die Nachricht vom Orgelbrand in der Franziskus-Kirche. Aber es fiel ihr ein großer Stein vom Herzen, als sie hörte, dass die Reinigung der Stoffe sehr gut gelungen sei. Mit großer Mühe und Feinarbeit hat Restauratorin Anja Lienemann das Kunstwerk von Ruß und Staub befreit.
