Kann man heute noch ein Leben in Armut, Gehorsam und eheloser Keuschheit versprechen?

So fragen sich bestimmt viele junge Leute, vielleicht auch Sie, die Sie gerade diese Zeilen lesen. Was bedeuten diese Worte, was heißt das,

in Armut leben?

„Während Reiche kaum zufrieden zu stellen sind, freuen sich die Armen über ein Stückchen Brot.“
Arme spüren den Reichtum der vielen kleinen und großen Geschenke Gottes, allein schon die Gnade, leben zu dürfen. Diese Armut macht das Herz frei und glücklich. Armut heißt, sich von Gott beschenken lassen. Im Weiterschenken und Dienen wird die Nähe Gottes erfahren. Das befreit von Angst und Traurigkeit. Franziskus suchte die Armut und nannte sie Schwester, seine Braut. In der gelebten Armut um des Himmelreiches willen schenkt Gott uns das Hundertfache zurück, die Fülle seiner Liebe. Das ist die unversiegbare Kraftquelle zum Dienst am Menschen, für Kirche und Schöpfung.

In Gehorsam leben?

„Vater unser, … dein Wille geschehe wie im Himmel, so auch auf Erden!“
„Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen …“ (Apg 5,29)

Diese Sätze aus der Hl. Schrift zeigen den Maßstab und worauf sich die Ordnung in einer klösterlichen Gemeinschaft ausrichtet, die notwendig ist zum Gelingen des Zusammenlebens. Jede Schwester legt die gleichen Gelübde ab. In Geschwisterlichkeit begegnen sich daher alle achtsam und respektieren die Eigenverantwortung und das Gewissen jeder einzelnen. Diese Haltung ist freilich einzuüben. Jesus selbst ringt am Ölberg, den Willen des Vaters annehmen zu können. Mit seiner Hilfe gelingt es, hellhörig auf die Stimme Gottes zu achten, sie in seinem Geist in den menschlichen Beziehungen auch zu beantworten. Der Wille Gottes ist unsere Sendung.

Ehelosigkeit, Keuschheit, Jungfräulichkeit

sind Begriffe, die heute belächelt und für unmöglich erklärt werden, weil sie unsere Zeit nur noch auf das Leibliche bezieht. In diesem Gelübde wird versprochen, sich ganz der Liebe Gottes anzuvertrauen und ohne eigennützige Absichten auf die Sache des Herrn bedacht zu sein, wie Maria von Bethanien, die zu Füßen Jesu saß und mit seinen Worten ihr liebendes Herz füllte. Wir verehren Maria, die Muttergottes als Jungfrau und Mutter. Darin kommt das Geheimnis und die Auswirkung ihrer reinen Gottesliebe zum Ausdruck. Der heilige Franziskus wusste sich in der Liebe Gottes zutiefst geborgen und konnte deshalb immer wieder ausrufen, oft nur aushauchen:

„Mein Gott und mein Alles!“

Vielleicht ist durch diese besinnlichen Worte etwas aufgeleuchtet, warum man bei den drei Gelübden von einem „Rat des Evangeliums“ spricht. Die Schwester gelobt als Franziskanerin, das heilige Evangelium zu beobachten durch ein Leben in Armut, Keuschheit und Gehorsam. Diese drei Grundhaltungen bestimmen wesentlich das Leben Jesu. Für den, der mit seinem ganzen Leben Jesus nachfolgt, werden diese Haltungen auch nie altmodisch, nie überflüssig.

Auf diesem Weg, eine Schwester zu werden, verheißt immer auch,
allen eine Schwester sein zu können.

„Wer den Willen meines Vaters tut,
der ist mir Bruder,
Schwester und Mutter!“
Mt 12,46